NKE Lorient "Bell-Ille Marie Garlante"

Am Montag bekommen wir eine Führung durch das NKE Werk, in der Forschungsabteilung muss ich unweigerlich an 007 denken, dort wird gerade an Biegesensoren gearbeitet, mittels einer Software lässt sich die Form des Großsegels auf einem PC Bildschirm darstellen und die Veränderung des Profils beobachten wenn getrimmt wird. Paul läuft wie immer auf Volldampf, er ist ein unglaublicher Netzwerker, die Mittagspause nutzt er, um uns mit den Leuten von Roxy und Bossard bekannt zu machen. Das Roxy Team scheint noch recht jung zu sein und sehr zurückhaltend. Im Sommer werden wir sie in Kiel treffen. Paul preist mich als den Minisegler an. Trotz der Arbeiten am Schiff darf ich eine Besichtigung der Boots-Baustelle machen, die Kabel hängen alle kreuz und quer und viele Geräte fehlen. Die neu lackierte Roxy (60 Fuss) sieht richtig schick aus, Sam Davis wirkt neben dem Rumpf noch kleiner als sie wirklich ist, aber schon erstaunlich zu sehen, das diese kleine Frau das riesige Schiff beherrscht. Ich habe meinen Fotoapparat leider nicht dabei, aber wahrscheinlich ist es auch besser so, denn erstens hätte ich gar nicht daran gedacht Bilder zu machen und zum anderen sieht man dann nicht ganz so touristisch aus.

Auf dem Gelände der AOS gibt es einen Miniservice, wenn die Jungs und Mädels am Wochenende zum Segeln kommen liegen die Boote bereits segelklar im Wasser, am Montag Mittag steht die Flotte dann wieder komplett an Land. Ich habe noch nie so viele Pogo2 auf einem Haufen gesehen, einige sehen schon ganz schön mitgenommen aus.

Am Kran liegt ein  blitze-neuer Proto mit der Nummer 665 er gehört einem Brasilianer und natürlich kennt Paul auch ihn. Die Jungs sind gerade am aufbauen der Reling, die Halterungen für die Wantenspanner sind aus einem Gurtmaterial das durch einen Schlitz im Deck nach außen gehen und im Rumpf einlaminiert sind. An Land liegen zwei Pogo40 und ein alter 60 Füßer mit Pendelkiel, der Kiel ist nicht festgebolzt und hat ganz schöne Ausmaße. Später fahren wir zu Guy Fillon der ein bischen aussieht wie Fantomas, Guy ist Mitte Ende Sechzig, total fit und ziemlich entspannt. Guy baut mit einem Lehrling zusammen Aluminium Rümpfe. In der riesigen Halle stehen zwei Rohbauten, eine 40 Fuss und eine 60 Fuss Yacht und ein großer kantiger Wohnwagen mit einer großen Glasfassade an der Seite indem ein Sofa steht.

Die Rümpfe von Guy sind extrem leicht. Sein Konzept, dünne Aluplatten und dafür mehr Spannten zu setzen, der nackte 60 Russ Rumpf wiegt 3 Tonnen. Wir krabbeln eine Leiter am Heck des 60 Fuss Rumpfes hoch, die Leiter steht weit über das Heck hinaus. Guy erzählt uns von einem Kunden der schick im Anzug zur Besichtigung seines Rumpfes gekommen war und die Leiter bis zur letzten Stufe ausnutze, durch den Hebel hob die Leiter vom Boden und der Kunde rutschte mit der Leiter Richtung Boden und landete in einem Fass mit Lösungsmittel. Es soll im Genitalbereich so dermaßen gebrannt haben das er sofort die Kleidung vom Körper riss und sich splitternacht mit dem Wasserschlauch abduschte. Er sah danach völlig verändert aus als wir Ihm etwas von unserem Arbeitszeug geliehen hatten, erzählt Guy mit einem breiten grinsen im Gesicht. Die Art und Weise wie er die Geschichte erzählt ist einmalig mit einem Singsang in der Stimme, aber ohne äh öhm.

Paul fragt Ihn ob er am Wochenende auch zu dem und dem kommt, aber Guy meint er fährt kein Auto mehr, sie haben ihm den Führerschein abgenommen weil er während der Fahrt  telefoniert hat.

Geht das so schnell in Frankreich? Naja es war an einem Sonntag in Marseille in einem Industriegebiet wo am Wochenende keine Menschenseele ist, erlaubt waren 60 und er fuhr 120 und telefonierte, na ja und mit dem Telefonieren war er schon das dritte mal erwischt worden.

Seine Lehrling Erwan kommt aus einer alten Fischerfamilie die Hummer züchtet, Paul macht gleich die erste Lieferung klar. Erwan meint mit Guy ist das Arbeiten sehr abwechslungsreich, er macht den Eindruck richtig Spass mit seinem Chef zu haben.

Eine Bestellung von vier 40 Fuss Schiffen für die Karibik ist der nächste Auftrag, die Rümpfe werden in der Mitte durchgeschnitten und von den beiden in der Karibik wieder zusammengeschweißt, so sollen die Transportkosten reduziert werden.

Guy sagt er arbeitet nur für Leute die Ihm gefallen, viele Kunden hat er schon abgelehnt weil Ihm die Pläne der Kunden oder deren Nasen nicht passten, der eine wollte sogar gegen ihn klagen: “Das können sie nicht machen...“ "Es ging doch ich hatte die Bücher gerade voll."

Nachmittags gibt es eine Einweisung in die älteren NKE Modelle. Abends ziehen wir noch in die Stadt und landen in einer Kneipe in der eine Aufzeichnung vorbereitet wird, Kameras stehen bereit und Lampen leuchten die sonst eher dunkle bretonische Kneipe aus. Wir finden einen freien Tisch am Eingang. Wie sich im Gespräch herausstellt sitzt einer der Akteure neben uns am Tisch vor einem Glas Bier, ein älterer Herr Ende sechzig mit langen grauen Haaren, er ist der Vorsitzende eines Vereins gegen Alkohol und Drogen und er witzelt das der Beitrag ausgerechnet in einer Kneipe statt findet, aber er nimmt es mit Humor, ausserdem ist es sein erstes Bier seit sechs Monaten. Leute die hereinkommen grüßen uns als würden wir uns seit Jahren kennen. Wie sich herausstellt sind es die Musiker die wohl vermuten das wir zu den Produzenten gehören.

Am nächsten Morgen geht es von Lorient nach Quiberon wo wir mit der Fähre weiter zur Belle Ille fahren, wo am Wochenende die Regatta „Belle-Ille Marie Galante“ startet, 3400 Seemeilen einhand bis in die Karibik mit 28 Figaros.

Die Überfahrt zur Belle-Ille geht durch eine ausgeprägte Dünung da es an den Vortagen sehr stark geweht hat, der Steuermann der Fähre fährt teilweise Schwenker, damit sich die Fähre nicht so stark aufschaukelt. Es ist asig kalt geworden und hin und wieder hagelt oder regnet es, aber überwiegend ist es schön wenn auch viel zu kalt.

Das kleine Städtchen Le Palais liegt nordöstlich der Belle-Ille, im hinteren Teil, dem „Bassin a Flot“, der nur zwei Stunden vor und nach Hochwasser durch eine Schleuse zu erreichen ist, liegen die 28 Figaros. Rechts neben dem Anleger stehen Zelte mit Verkaufsständen, einer Tribüne auf der gerade zwei Skipper von einer Schulklasse befragt werden. Ein Stand stellt die Karibik Insel Marie Galante vor mit einer kleinen Bar wo es Spezialitäten gibt und einer Reihe von Computer Terminals auf der rechten Seite.

Mit Phillip gehen wir auf das erste Boot und fragen den Skipper der „Belle-Ille“, ein Boot das von der Gemeinde ins Rennen geschickt wird, ob mit der NKE Anlage alles in Ordnung ist. Phillip justiert die Anlage, den Ruderausschlag des Autopiloten, die Abweichung des Windgebers da er nicht in Schiffsmitte ausgerichtet ist, scheinbarer Wind, Echolot und Log werden überprüft. Bei den meisten Piloten fehlt der Freischaltcode, damit der Pilot nach dem wahren Wind steuert, aber auf telefonische Anfrage bei der NKE Zentrale erhält Phillip die richtigen Daten.

 Viele der Skipper kennen die Boote gar nicht richtig da sie als Skipper eingekauft worden sind, deshalb gibt es bei einigen Skippern noch viele Fragen zur NKE Anlage. Phillip kennt die Vorgängermodelle vom Gyrographic in und auswendig, aber sehr innovativ finde ich die alten Modelle nicht, richtig gut ist NKE erst mit der Gyrographic Version geworden. Christian Bos geht es wie mir, da er nur die neue Generation von NKE kennt. Auf einem Boot wird der Mann über Bord Alarm immer ausgelöst, wie sich nach einer Weile herausstellt wurde bei der Verkabelung falsch angeklemmt.

Eric Peron ist noch auf der Suche nach einem Sponsor und versucht natürlich gleich Paul zu überzeugen die fehlenden 40 € zur Verfügung zu stellen, aber auf seine charmante Art hilft Paul ihm mit einer Reihe von Kontakten die ihn weiterbringen könnten.

Drei Frauen sind mit am Start, Jeanne Grégoire 31 Jahre, Liz Wardley 28 Jahre, Servane Escoffier 26 Jahre, ihre Mutter bringt noch den Stoffpinguin vorbei den sie fast vergessen hätte und trinkt einen Kaffee im Zelt hinter dem Ponton.

Servane sieht noch sehr jung aus und ich muss an eine Freundin denken, ihre Eltern hatten ihr verboten auf einem Motorrad mitzufahren weil das zu gefährlich sei, und diese Mutter schickt ihre Tochter 3400 Seemeilen über den Atlantik. Ein schräger Vergleich zugegeben, denn zum einen ist Servane 10 Jahre älter als die Bekannte damals und zum anderen sagt ihre Segelhistorie genug, 2006 zweite bei der Route du Rum in der 50 Fuss mono Klasse, oder 2003 Jacques Vabre etc.

Aber auch wenn ich die Historien der anderen Segler und Seglerinnen ansehe werde ich ganz kleinlaut und bewundere den Mut der Sponsoren das alles zu ermöglichen. In Deutschland einfach undenkbar. Armel Tripon und Bertand de Broc sind auch mit am Start um nur einige Namen zu nennen.

 Mittags essen wir zusammen mit Yannig Livory der die Wohnung von Freunden auf der Insel nutzen kann. Sie hatten ihm gesagt das die Renovierungsarbeiten noch nicht ganz abgeschlossen sind, aber sein Eindruck war eher das sie noch gar nicht angefangen haben.

Wir sitzen an einem runden Tisch am Eingang einer Pizzeria, die einzigen Plätze die noch zu haben sind. Immer wenn jemand das ohnehin kalte Restaurant betritt geht die Tür wieder hinter ihnen auf weil der Verschlussmechanismus nicht funktioniert, die eisige Luft zieht durch den Eingangsbereich. 

Das Abendprogramm mit einem unerschöpflichen Repertoire an Geschichten aus der französischen Seglerszene.

Am nächsten morgen um 9:00 Uhr geht es mit der Fähre wieder zurück nach Quiberont und dann weiter nach Lorient. Pierre setzen wir zwischendurch Zuhause ab und bei Paul holen wir noch das Ruder aus der Garage, da sein Boot um 11:30 gekrant  werden soll. Der Zeitplan ist perfekt auf die letzte Minute abgestimmt, nur das einsetzen des Ruders gestaltet sich schwieriger als geplant, aber um 12 Uhr schwimmt das Boot wieder und wir segeln das Boot rüber nach Lamor-Plage. Auf dem Rückweg fahren wir bei der Class Mini vorbei, Annabelle sieht ziemlich gestesst aus, kommt aber offensichtlich ganz gut damit klar. Sie gibt mir bereitwillig Auskunft auf meine Fragen, nebenbei gibt es noch Telefonauskünfte, bei denen es sich offensichtlich um sehr emotionale Anrufer handelt.

Schon bewundernswert wie freundlich Annabelle dabei bleibt, die Vergabe der Startplätze ist in diesem Jahr ein echtes Problem, in den vorherigen Jahren haben die Veranstalter die Vergabe in Eigenregie vorgenommen, in diesem Jahr ist es ein Mischmasch aus Veranstalter und Class Mini worüber Annabelle wenig begeistert scheint.

Viele Sponsoren sind sauer da ihre Boote nicht mit an den Start gehen können da sie keinen Startplatz bekommen haben.